Fahrt nie mit dem Richard!

Alljährlich im November, wenn unser Ostseespielzeug im Winterlager schlummert, ploppt die Frage auf, wie wir durch die entsetzlich segelfreie Zeit kommen. Bootsprojekte zuhause, beispielsweise ausgebaute Lukendeckel oder Pumpen helfen. Diesmal lohnt der Blick in die aktuelle „Yacht“, Heft 24/2021. Dort widmet sich ein achtseitiger Artikel einem besonderen Boot unseres Vereins.

Das Heft gibt’s bis Anfang Dezember am Kiosk, den Artikel auf Dauer zum Download für kleines Geld hier:

https://www.yacht.de/yachten_jollen/das_besondere_boot

Neuerdings bereichert die Seglerfamilie Viktoria und Richard Natmeßnig mit drei Töchtern auf gedönsfrei sympathische Weise den Osthafen. Ihr Boot heißt „Sleipnir“. Jedesmal, wenn der flachbordige S30 Rumpf mit der puppenstubengroßen Renndreißiger-Mahagonikajüte aus dem Hafen schiebt, gaffe ich der Swede 41 Baujahr 2018 ergriffen hinterher.

Ab und zu lädt Richard Neugierige, Gaffer und Schwärmer ein. Seit ich im September eines seiner „Opfer“ wurde, warne ich ausdrücklich. Leute, geht nicht mit dem Richard segeln: Der Natmeßnig kennt die Wirkung seines Bootes und lässt Euch zwei Stündchen an die Pinne. Nach dieser seglerischen Horizonterweiterung, es ist eine gefährliche -vertiefung, seid Ihr für übliche Boote versaut.

Wer sich näher fürs Segeln und vielleicht auch noch Schärenkreuzer interessiert, den hauen zwei Finessen aus den Socken. Das Boot ist effizient besegelt. Es deckt von einem lauen Lüftchen bis an die 6 Windstärken mit Code Zero, der brettflachen 3Di North Sails Garderode von Fock und reffbarem Groß das übliche segelbare Windspektrum ab. Die Segeltragzahl liegt mit Fock und Groß bereits bei starken 5,2. Mit Code Zero statt Fock sind es schlimme 6. Das kennen Schärenkreuzer-Segler nicht.

Die Segeltragzahl verrechnet die Segelfläche mit der Verdrängung anhand folgender Formel: 2√Segelfläche in qm geteilt durch 3√Verdrängung in t. Zum Einordnen: Fahrtenyachten sind mit 3,5 – 4, moderne Boote mit 4,3 – 5 unterwegs.

Faszinierend ist, wie gut „Sleipnir“ das ganze Tuch trägt. Dank des 50-prozentigen Ballastanteils am tiefen Kiel hat sie eine sagenhafte Endstabilität. Damit messert Ihr eher wie eine R-Yacht (Meterklasse) als ein klassischer Schärenkreuzer oder Tourenvarianten wie Lotus, S30, Swede 55 aus den Siebzigerjahren an der Windkante rum. Liegt „Sleipnir“ auf der Seite, bleibt die Deckskante auf Normalnull des Meeresspiegels und Ihr habt, in der gepolsterten Damen- oder Herrenseglerplicht lehnend, die Ostsee in Schulterhöhe. Der Am-Wind-Kurs mit „Sleipnir“ ist geil wie Gocart- statt ödem Busfahren. Dazu das backstagslos simple Handling des auf den ersten Blick klobig erscheinenden Riggs mit langen, gefeilten Salingen.

Also, am Nirogeländer vor’m Samoa lehnen, das maronenbraune Mahagoni mit drei ovalen Bullaugen umschmeicheln, die altmodischen Massivholz Fuß- und Griffleisten und funkelnden Beschläge abscannen ist okay. Aber bereits mit dem Richard schwätzen wird gefährlich. Weil Ihr dann irgendwann wie ich den gefährlichen Schritt an Bord macht, ablegt und die Pinne kriegt. Zwei Stündchen. Danach habt Ihr wochenlang, wahrscheinlich länger, ein Problem.

Mehr hier:  https://swedesail.de/swede-55-2/lesenswert/

Dank an Jürgen Pauleweit (Vorschot) und Georg Milz, der als Fahrer des Fotobootes gut nass wurde.

Erdmann Braschos „Gamle Swede“